Nur was man liebt, schützt man. Wer die Natur liebt, stellt sie in den Mittelpunkt seiner Bemühungen. Nicht sich selbst und seine eigenen - wirtschaftlichen - Ziele.
Ich gebe es zu: Als einer meiner Geographie-Professoren 1998 - in meinem dritten Semester - uns lachend aufklärte
"Bei vielen Menschen muss man gar keine neue Erkenntnis schaffen, es reicht schon die Verpackung. Nur kritischer angehauchte Menschen oder Fachleute erkennen die Mogelpackung, alle anderen folgen des "Kaisers neuen Kleider"
war ich schon etwas geschockt, denn ich war damals noch merklich naiv, hatte noch wenig Lebens- und noch keine Berufserfahrung, glaubte noch, dass die Wissenschaft heutzutage der Erlangung neuer Erkenntnisse dient und sich nicht wirtschaftlichen Belangen aufopfert.
Heute - nach drei Uniabschlüssen in Pädagogik und Geografie, nach fast 20jähriger, meist hauptamtlicher Arbeit im Naturschutz und in der Umweltbildung - muss ich ihm leider zustimmen.
Mein derzeitiges Lieblingsbeispiel ist in aller Munde und engagierte Naturschützer können das Wort schon nicht mehr hören: "Waldbaden".
Erst Waldbaden - so verbreiten die Anhänger, die teilweise horrende Summen mit diesem Trend verdienen, ohne eine Hochschulausbildung in einem naturschutznahen Fach, häufig nicht einmal in Pädagogik, genossen zu haben - führe die Menschen zu tieferem Erleben des Waldes. Erst durch ihre Anleitung könne man im Wald tief einatmen und entspannen. Erst mit Hilfe der Waldbademeister könne man die heilsame Wirkung des Waldes erfahren.
Praktisch: Die Mediziner stimmen ihnen in plötzlich auftauchenden, unzählig werdenden Studien zu: Ja, der Wald fördert die Gesundheit und entschleunigt uns.
Und ich denke mal wieder an meinen Geographie-Professor aus dem 3.Semester...
Eine uralte, selbstverständliche Erkenntnis, doch Hochglanzartikel der Gesundheitskassen schaffen es, den naturferneren Mitgliedern "neues Heil" zu versprechen. Touristiker wittern eine neue Attraktion, sprechen ihren Gästen die Fähigkeit ab, allein und selbstständig die Natur zu genießen.
Ob die Touristiker, die Gesundheitskassen und die Mediziner, die sich vom Waldbade-Hype viel Geld versprechen, wissen, dass viele der "Übungen", die die Waldbademeister verwenden, nicht aus Japan, sondern aus den USA stammen und - völlig kostenlos - in der ganz normalen Waldpädagogik schon seit Jahrzehnten praktiziert werden?
"Waldpädagogik" klingt eben weniger "esoterisch" als "Waldbaden".
Das Ziel der Waldbaden-Förderer ist klar:
- Wenn die Menschen selbstständig die Natur genießen, bringen sie kein Geld.
- Wenn die Naturliebhaber sich Führungen von ausgebildeten Naturschutzfachleuten anschließen oder deren intensiv recherchierten Naturerlebnisbücher lesen, lernen sie auch, die Natur zu schützen. Und das ist dem einen oder anderen im Tourismus arbeitenden Unternehmer natürlich nicht recht, denn Kritik ist unangenehm, fördert nicht gerade das Geschäft.
Trotz allem: Wer sind das eigentlich, die Waldbademeister?
Um ausgebildeter Waldbadereferent zu werden, muss man viele teure Kurse besuchen, die wiederum nicht von Naturschutzfachleuten geleitet werden. Je mehr Kurse besucht werden, desto tiefer tauchen die Kursteilnehmer in die von Egoismen bestimmte, programmierte Form des Naturerlebens ein.
Auf der Strecke bleibt: die Natur! Und letztendlich auch: das "echte", selbstbestimmte Naturerleben...
Beispiele:
Auf den Titelseiten der Waldbadefachzeitschriften werben die Referenten mit naturfernsten Fichtenmonokulturen, andere werben mit Fotos, auf denen Kursteilnehmer mit brennenden Teelichtern auf Bohlenstegen - also mit offenen Feuer inmitten eines per se besonders geschützten Gebietes - meditieren. Wieder andere behaupten in Interviews felsenfest Dinge, die naturschutzfachlich eindeutig falsch sind...
Wieder andere stehen - die Hände salbungsvoll wie ein Pfarrer vor der Wandlung - in einem Naturschutzgebiet mit striktem Wegegebot abseits des Weges inmitten der Heidelbeeren.
Wer sie auf ihre Fehler höflich hinweist, wird entweder beschimpft oder als unwissend, intolerant oder engstirnig verunglimpft.
Die, die es im Waldbaden zu einer höheren Ebene gebracht haben, ziehen es vor, zu schweigen, anstatt gezielt mit Argumenten auf die Kritik einzugehen. Sie machen es sich einfach. Und doch ist`s das Klügste, um den Schein zu wahren.
Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als viele glauben. Prof. Dr. Dr. Walter von Lucadou, der Jahrzehnte lang an der Universität Freiburg zum Thema "Parapsychologie" forschte, stellt aber klar: Esoterisch anmutende Phänomene gibt es. Doch in dem Moment, in dem ein Mensch damit wirbt, übersinnliche Fähigkeiten zu besitzen und damit Geld verdienen will, verliert er sie.
Wieviel Geld würden sich viele Menschen sparen, wenn sie nicht blind Trends folgen würden...