Endlich ist das Wetter stabil genug für eine Tour im Nationalpark Berchtesgaden, die ich mir schon länger vorgenommen habe.
Heute will ich - im Gegensatz zu den Wanderungen, die ich sonst in meinen Büchern begehe und beschreibe, etwas hinaus ins alpine weglose Gelände. Ein bisschen Pfadfinder spielen, denn trittfest bin ich ja genug.
Dafür hab ich - wie immer - gleich ein paar Wanderbücher gewälzt und verglichen, die Karten studiert. Ich glaube, auf die Tour vorbereitet zu sein, denn ich weiß, die Autoren, deren Bücher ich zu Rate gezogen habe, sind "vom Fach". Diesmal sind's hauptsächlich staatlich geprüfte Bergführer, aber gerne vertraue ich auch dem Ratschlag von anderswertigen Spezialisten: beispielsweise Geografen, Naturschützern, langjährigen Bergjournalisten, von denen ich weiß, dass sie sich im Gebiet auskennen, dass sie zusätzlich zu ihrem professionellen Vorwissen ausführlich recherchieren.
Die Geschichte am Heuberggrat im Kleinwalsertal, als Anfang des Monats ein Sportlehrer durch eine leichtsinnig interpretierte Internettourenbeschreibung 99 Siebtklässler und sieben KollegInnen in Lebensgefahr brachte, will mir nicht aus dem Kopf. Sowas hätte in einer Katastrophe enden können...
Eigentlich, ja eigentlich erkennt man ja leicht, ob ein Wanderbuch oder ein Wanderbericht überhaupt als Wanderführer geeignet ist.
Regel 1: Der Autor/die Autorin muss selbst professionelle WanderIn sein und schon oft in der Realität für seine Mitmenschen "auf Tour" Verantwortung übernommen haben.
Wer nur die eigenen Vorlieben sieht, vernachlässigt die Bedürfnisse anderer.
Regel 2: Das wichtigste Warnsignal ist heutzutage die Aussage "Ich habe schon immer die Natur geliebt" von Menschen, die Wanderbücher verfassen wollen, aber etwas studiert/gelernt haben, was überhaupt nicht mit Wandern/Natursport oder Naturschutz zu tun hat.
Heutzutage sind die Ausbildungs- und Ausbildungsfördermöglichkeiten derart vielfältig, dass niemand, der heute noch im erwerbstätigen Alter ist, behaupten darf, er hätte aus finanziellen Gründen einen Beruf ergreifen müssen, der nichts mit seiner Liebe zur Natur/zum Natursport zu tun hat (z.B. Banker, Unternehmensberater, Eventmanager etc.)!
Naturerlebnis ist heutzutage im Trend. Wer erst seit kurzem in diesem Trend arbeitet, hat ihn zwar erkannt, kann aber nicht von sich behaupten, er hätte genug Leidenschaft, genug Erfahrung, qualitativ hochwertige Bücher über die Natur zu schreiben oder wäre ausreichend dazu qualifiziert.
Regel 3: Wieder zum Positiven: Und natürlich muss ich als Leser mich dem/der AutorIn virtuell anvertrauen können.
Praktisch sieht das so aus: Ich muss als Leser eine Ahnung davon bekommen, wie der Autor meines Wanderbuchs "tickt". Vielleicht schreibt er aus der Perspektive eines Alpinisten. Das kann für mich bedeuten: Weglose Steige, die für sein geübtes Auge klar im Gelände erkennbar sind, finde ich eventuell erst nach zweimaligem Hinschauen... Ich, als jemand, der zwar trittfest ist und im hohen Mittelgebirge daheim bin, brauche daher bei von Alpinisten beschriebenen Alpenwanderungen gelegentlich etwas länger.
Das Beste ist, so halten wir's, den Weg so zu beschreiben, als wär's ein Film.
Daher tue ich mir schwer, meine Bücher als "Wanderführer" zu bezeichnen, denn sie sind viel mehr: Erlebnisberichte, Reisebücher, Naturerlebnisbücher, Bildbände, aber eben auch Wanderführer, denn wer will, bekommt so detaillierte Informationen, dass er unseren Spuren folgen kann.
Erinnerungen und Vorfreude wecken. Authentizität, dabei auch naturkundliche Professionalität.
Und da hapert's denen, die aus heiterem Himmel - eben mit völlig anderen beruflichen Hintergründen - plötzlich damit werben, "schon immer Naturliebhaber" gewesen zu sein.
Gemäß dem Motto: "Ich liebe die Berge!" sagte der Bergbahnchef und baute einen neuen Sechsersessellift...
Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, kann so viel Schönes entdecken, sieht aber leider auch, was hinter vielen Kulissen steckt.
Und trotzdem - vielleicht umso mehr - kann er die Natur genießen, denn sie ist ehrlich, war schon immer Natur und dort, wo wir sie in Ruhe lassen, wird sie es auch immer bleiben... ein ewiger Kreislauf... das Gegenteil von einem kurzlebigen Trend.